Estomihi
Am Donnerstag wachten wir auf mit den Nachrichten von Russlands Angriff auf die Ukraine und waren entsetzt, bestürzt und fassungslos über die Gewalt, das Sterben und das Leid. Menschen, die in internationalen Firmen nicht als Russen und Ukrainer, sondern als Kollegen miteinander gelebt haben, werden in ihre Heimat zurückgerufen und eingezogen, um gegeneinander zu kämpfen. Die Welt ist ratlos, gespalten darüber, wie man einem Gewaltherrscher wie ihm begegnen soll. Jemandem, der Journalisten wie Anna Politkowskaja ermorden, politische Gegner wie Alexei Nawalny mit dem Nervengift Nowitschok vergiften lässt und der die Krim besetzt hat. Putin sät Lügen, Krieg und Gewalt – muss der Westen nicht notfalls gewaltsam die Grenze aufzeigen, die nicht überschritten werden darf?
Wenn man Gewaltherrscher und Lügner überwinden möchte, muss man bereit sein, zum Schwert zu greifen. So denkt Petrus. Es ist die Logik der Machtpolitik, der Abschreckung durch militärische Stärke. Man muss bereit sein, notfalls selbst gewaltsam zu handeln, um Gewalt zu beenden. Man muss – das gehört auch dazu - auch bereit sein, den Preis in Kauf zu nehmen. Deutschland in seiner immensen Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist abhängig von russischen Gaslieferungen. Aufgrund dieser Abhängigkeit arrangierten wir uns mit Putin und haben die Ukraine nicht entschieden genug unterstützt seit der Annexion der Krim. Wir wollten die Kosten und die Mühen des Ausbaus erneuerbarer Energien nicht hinnehmen und nicht auf unseren gewohnten Lebensstandard verzichten.
Putin stationierte seine Truppen im Januar an der Grenze der Ukraine. Könige und Eroberer, die Jerusalem einnehmen wollten, sammelten ihre Truppen in Cäsarea Philippi. Von dort begann der Angriff auf Jerusalem, Zentrum des jüdischen Glaubens. Jesus ist der Messias. Als er mit seinen Freunden in Cäsarea ist, sehen sie nach Monaten der Unsicherheit ein Ziel in Reichweite: Der Messias wird glanzvoll in Jerusalem einziehen, er wird die Herrschaft der Römer beenden und ein Reich des Friedens errichten.
Wenn wir vorausdenken an Palmsonntag und uns erinnern, wie Jesus auf einem Esel einzieht, an Gründonnerstag und Karfreitag, an Angst, Gefangennahme, Folter und Tod, erkennen wir: So kommt Jesus nicht. Er zieht nicht, wie die Eroberer vor und nach ihm, Truppen zusammen, um Jerusalem zu belagern. Er fällt nicht mit Schwertern, Soldaten und schwerem Geschütz in Jerusalem ein. Er bringt keinen Frieden durch Krieg. Friede, der durch Waffen entsteht, trägt den Keim neuer Gewalt in sich. Der Friede, den Jesus bringt, weist den Weg in eine verheißungsvolle Zukunft.
Der Menschensohn bringt Frieden, wie ihn die Propheten angekündigt haben: Das Recht wird wie Wasser strömen und die Gerechtigkeit nie versiegen. Der Menschensohn leidet dafür. Er wird Opfer der Machtpolitik und endet am Kreuz. Jesus ist bereit, für den wahren Frieden den Tod auf sich zu nehmen. Friede, der vertraglich festgehalten und gesichert wird, nachdem die Waffen schweigen, nachdem die eine Seite die andere durch überlegene militärische Stärke besiegt hat, ist immer bedroht. Denn es ist meist nur eine Frage der Zeit, bevor die unterlegene Seite erneut zum Kampf aufruft. So kommt uns Russlands Streben nach vergangener Größe und Macht bitter vertraut vor, auch Deutschland wollte nach Ende des Ersten Weltkriegs schnell wieder zu alter Größe wachsen, koste es, was es wolle.
Der Friede, den Jesus bringt, ist ein anderer. Er liegt im genauen Gegenteil dessen, wofür wir Menschen gewohnt sind zu kämpfen. Wir sind es gewohnt, dass wir für uns selbst kämpfen oder für das, was uns wichtig erscheint. Jesus kämpft nicht für sich selbst, er will keine Macht für sich selbst, will die Menschen nicht beherrschen und unterwerfen, will ihnen seine Sicht der Dinge nicht aufzwingen. Der Friede, den er bringt, ist mit seinem Leben, seiner Selbsthingabe, erworben. Petrus hätte, wenn er Jesu Worte richtig verstanden hätte, gewusst: Der Menschensohn muss nach Gottes Plan diesen Weg gehen. Und Petrus hätte zu zwei weiteren Einsichten gelangen können: Der Weg, den Jesus nehmen muss, lässt sich nicht durch Gewalt erfolgreich durchsetzen. Es lässt sich durch Gewalt auch nicht verhindern, dass Jesus seinen Weg geht. Petrus wird es später mit eigenen Augen sehen, als er zum Schwert greift und einen Soldaten verletzt: Jesus tadelt Petrus und heilt den Soldaten.
Jesus erklärt, was die Menschen erwartet, die sich ihm anschließen und ihm auf dem Weg nach Jerusalem folgen, die zu ihm gehören wollen. Wer ihm folgen will, bewahrt seine Worte und gibt sie weiter, ist bereit, alles aufzugeben und einzusetzen für Friede und Gerechtigkeit. Wer zu Jesus gehört, bleibt bei ihm, wenn sich andere abwenden, wer zu ihm gehört, hört den Begriff „Gutmensch“ nicht als Schimpfwort, sondern als Ansporn, wagt alles, duldet alles, sucht nicht das Böse und verbreitet nicht die Lüge, sondern fördert das Gute und freut sich an der Wahrheit, erträgt alles, hofft alles. Wer zu Jesus gehört, ist sanftmütig und gütig, barmherzig und friedfertig.
Stärke liegt darin, die nicht auf Waffen oder Macht angewiesen ist, um sich zu beweisen. Stärke, die aus dem Mut kommt, zu vertrauen. Jesus vertraut Gott und kann deshalb seinen Weg gehen, kann sich verletzlich, angreifbar, anrührbar, verwundbar und schwach zeigen, kann seine Angst zeigen und seinen Wunsch, dem Schmerz und dem Leiden zu entgehen. Jesus weiß, dass sein Weg ans Kreuz führt, damit wir erkennen, wie sehr Gott uns liebt.
Der Aufbruch naht. Jesus hat seine Freunde um sich geschart. Ihm zu folgen, ist der Weg zum Leben. Jesus zu folgen, kann uns verändern: Vielleicht werden wir sanfter und barmherziger. Vielleicht wird unser Auftreten auch sicherer. Vielleicht lernen wir etwas über Geduld und Durchhaltevermögen oder auch, entschieden, aber nicht gewaltsam notwendige Grenzen zu setzen. Wir können lernen, uns zu behaupten, nicht nur für das, was uns selbst wichtig ist, sondern vor allem für das, was Jesus am Herzen liegt.
Vielleicht entwickeln wir besondere Begabungen und Fähigkeiten. Vielleicht bekommen wir einen anderen Blick für unsere Mitmenschen, können engagierter helfen und ihnen zur Seite stehen, koste es, was es wolle, und sind dagegen nicht mehr bereit, uns mit Gewaltherrschern wie Putin und Erdogan zu arrangieren, uns von ihnen erpressbar und abhängig zu machen.
Es wird Zeit, dass die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach strömt. Der Aufbruch naht, und wir haben Jesu Aufforderungen im Ohr. Wir haben Jesu Worte im Herzen. Wir haben Jesu Leben vor Augen. Wir leiden mit Petrus, der ihn verriet. Wir glauben, dass Gottes Sohn die Welt verwandelt. Wir bekennen, dass Jesus der Christus ist. Und wir wissen: Er ist uns vorausgegangen. Jesus führt uns auf den Weg, den er selbst gegangen ist. Wenn wir ihm folgen, hinter ihm gehen, sehen wir vieles nicht mehr nur aus unserer rein menschlichen Sicht, sondern bekommen etwas aus Gottes Sicht mit. Jesus stirbt – für uns. Wir wissen durch ihn, dass Gott es gut mit uns meint, dass er uns liebt. Wir wissen, dass Gottes Ziel für uns das Leben ist und können daraus den Mut schöpfen, Jesus auf dem Weg ins Leben zu folgen.
Amen